Quantcast
Channel: reichsfrei.de - Deutsche Außenpolitik
Viewing all articles
Browse latest Browse all 60

Afghanistan, zum letzten?

$
0
0

Thorsten Kleinschmidt, 19. August 2021

Kabul ist von den Taliban besetzt. Deutschland und seine Verbündeten haben die Parole ausgegeben: „Rette sich, wer kann!“ Evakuierungsflüge bringen Menschen außer Landes. Die Öffentlichkeit ist entsetzt. Aber die Öffentlichkeit vergisst schnell – die verantwortlichen Politiker sind eh nicht mehr lange im Amt, Afghanistan ist ja doch weit weg, und die Flüchtlingsströme versickern vielleicht im Iran oder in der Türkei …

Doch die Erinnerung an dieses Desaster sollten wir alle – Bürger, Politiker, Experten – uns ins Gedächtnis einbrennen. Denn:

Es ist eine Schande, eine Schande, eine Schande. Nicht, dass wir uns auf den Afghanistan-Krieg eingelassen haben. Nicht, dass wir ihn verloren haben.

Es ist eine Schande, dass wir diesen Krieg nie ernst genommen haben. Dass wir niemals ernsthaft selbst versucht haben, ihn zu einem politisch und militärisch guten Ende zu bringen. Mit Ausnahme unserer Soldaten freilich, von denen 59 ihr Leben verloren. Sie ertranken im Kielwasser der USA, in dem Deutschland gedankenlos dahinsegelte. „In together, out together“ – Mehr als diesen Söldner-Anwerbeslogan stoßgebetartig zu wiederholen, ist der deutschen Regierung im Grunde nie eingefallen. Merke: Kriege sollte man ernst nehmen, denn in Kriegen sterben Menschen. Wenn man Krieg führt, sollte man sich selber um den Ausgang kümmern, und das nicht irgendwelchen Verbündeten überlassen, auch nicht Amerikanern.

Es ist eine Schande, dass wir den Abzug unserer Truppen nicht besser vorbereitet haben. Nachdem die US-Regierung ihre Abzugspläne verkündet hatte, brach in deutschen Regierungskreisen eine von Panik kaum zu unterscheidende Hektik aus: „Raus, raus, nichts wie raus!“ Das Schicksal der afghanischen Truppen, für deren Ausbildung und Beratung wir uns doch seinerzeit zuständig erklärt hatten, war uns auf einmal ebenso wurscht wie die Zukunft der Afghanen, die mit uns zusammengearbeitet oder sich auf uns verlassen hatten.

Es ist eine Schande, dass der Zusammenbruch der afghanischen Armee, der afghanischen Regierung und auch der afghanischen Zivilgesellschaft uns so überrascht hat. Wie kann es sein, dass deutsche Diplomaten, deutsche Soldaten, deutsche Geheimdienstler und auch deutsche Hilfsorganisationen nicht bemerkt haben, dass das moderne Afghanistan, das sich doch nach und nach zu entwickeln schien, nur ein Potemkin‘sches Dorf war? Wir waren zwanzig Jahre da und haben das Land nicht begriffen?

"Afghanistan, zum letzten?" vollständig lesen

Viewing all articles
Browse latest Browse all 60

Latest Images





Latest Images